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Tod des Vaters oder: Von einem, der auszog, ein Rebell zu werden

31.01./01.02.2015 Ostsee-Zeitung

Das Theater Vorpommern brachte ein Stück von Oliver Kluck heraus. "Was zu sagen wäre warum" gilt hier als die "Uraufführung der Autorenfassung".

Von Dietrich Pätzold

Stralsund – "Ich habe noch nie einen Anzug gekauft", beginnt der Mann in der Reihe hinter mir, steht auf, schwarzer Anzug, weißes Hemd, schmaler Schlips, geht langsam nach vorn und spricht dabei von der Seite zum Publikum. Im Anzug, in dem er aussieht wie ein Yuppie, begründet er, warum ein Anzug für ihn keine angemessene Kostümierung sei. Dann kommt er auf der Bühne an – und beim gestorbenen Vater.

Vor zwei Jahren machte Oliver Kluck (34) großen Wirbel, weil sein Stück "was zu sagen wäre warum" zu stark bearbeitet am Schauspiel Frankfurt herauskam, und distanzierte sich von dieser Uraufführung. Dadurch konnte nun vorgestern Abend das Theater Vorpommern in Stralsund (und gestern in Greifswald) die "Uraufführung der Autorenfassung" bieten, noch dazu in jener Stadt, in der Kluck, der gebürtige Rüganer, aufgewachsen ist, und die nun im Stück wenig schmeichelhaft wegkommt. Zum Beispiel: "Die hoffnungslose Stadt meiner Jugend, in der ich, anstatt zu wachsen, jedes Jahr kleiner geworden bin."

Die reine "Autorenfassung" ist das auch wieder nicht, aber eine, zu der sich der Autor mit Verbeugung beim Schlussapplaus bekannte. Regisseur André Rößler hat leicht gestrafft, Klucks Entscheidung gegen einen Anzug ganz verworfen, aber alles, was brisant sein könnte, drin gelassen. Etwas zurückgenommen ist die Rahmensituation: dass da auf einem Empfang ein Jungautor aus bildungsferner Familie, der früher rebellisch war und inzwischen tief resigniert ist, in gehobenen Kreisen als Exot einen Preis erhält. Nur hin und wieder blitzen unvermittelt banale High-Society-Stimmen auf.

Im Mittelpunkt dagegen steht die Erinnerung an den Vater. Erinnert von einem, der einst auszog, um ein Rebell zu werden. Der nun zurückkommt, den Haushalt des Vaters auflöst und mit seinen von seiner Herkunft losgelösten Lebensansichten das Leben des gestorbenen Vaters bewertet. Dessen schrullige Sturheit etwa, die eigentlich als gewisser bodenständiger Selbstschutz funktioniert. Auffällig (und eindrücklich gespielt von Ronny Winter), wie der Junior, dem alles so gleichgültig ist, in Erregung gerät, wenn er die endlos lange Reihe der Hilfsjobs aufzählt, mit denen sich der Vater durchschlug. Obwohl da nur eine – gut versteckte – Wendung wichtig ist: "was Vater gearbeitet hat, als er nicht mehr arbeiten durfte". Zusammen mit einer – ebenso versteckten – Hinweis auf einen Rausch, mit dem der Vater in Büschen liegend Schlegel und Heine zitiert haben soll, deutet sich ein extrem scharfer Wende- bzw. Vereinigungsknick als tragischer Kern der Groteske an.

Die anderen, darüber gelegten Themen sind lustiger. Was eben als wichtig gilt im Alltag schlichter Leute: Saufen und Vögeln, das Anschließen einer Waschmaschine, eine Wohnungsüberschwemmung mit Folgen für die darunter Wohnenden, die Zahlungsweigerung der Versicherung. Da werden Geschichten vom banalen Leben zum Flickenteppich vernäht, im Milieu hier ein Schuss Antisemitismus, da ein Reflex Frauenfeindlichkeit und noch ein Quentchen historische deutsche Schuld reingemixt. Das Ganze ein antipoetologisch angerührter Text-Eintopf, der mit der gelähmten Gleichgültigkeit der Autor-Figur auch Zuschauer-Interesse dämpft. Gewiss: Kluck ist nicht die Ich-Figur des Stückes (oder nur halb), sondern spielt damit. Doch er kommt wenig über sie hinaus.

Mit auf der Bühne Josefine Schönbrodt, Matthias Zahlbaum, Mike Hermann Rader und Markus Voigt, die sich in Trainingsanzügen in die Fächer eines überdimensionalen Ikea-Regals, ihre engen Wohnungen zwängen. Diese Regalhaus-Enge lässt sich als wildes Karussell drehen und macht einfallsreiche Spiele möglich.


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