Startseite

Schwerpunkt "Zensur": Literaturzeitschrift "Risse" erneuert sich

08.11.2013 Ostsee-Zeitung

Bad Doberan – "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu" – die Liedzeile von Wolf Biermann wird gern mit Eifer zitiert, wenn gewollte oder erzwungene Veränderungen zu rechtfertigen sind. Auch die "Zeitschrift für Literatur in Mecklenburg und Vorpommern" beginnt mit ihrer heute erscheinenden 31. Ausgabe, eine solche Wandlung in Selbsttreue zu versuchen.
Der Titel bleibt im 16. Jahrgang "Risse", das Format ist größer, das Layout durch die Bildhauerin Julia Kausch gestaltet (ein Hingucker). Die Entscheidung, fortan jedes Heft mit Schwerpunktthema zu machen, kann dem Hauptanliegen, Literatur aus MV zu fördern, dienen. Denn Zusammenhänge zwischen Literatur und Gesellschaft werden schärfer akzentuiert.
Scharf deshalb der Auftakt-Schwerpunkt: "Zensur". Jene Sache also, die laut deutschem Grundgesetz gar nicht stattfindet. Im literarischen Teil umspielen Autoren wie Marion Skepenat, Ronald Richardt, Holger Böwing das Thema mehr oder weniger intensiv. Wobei Böwings satirische Geschichte "Sieglinde" über einen Fall missglückter Zensur in der Schule ein solcher Höhepunkt ist, dass man sie glatt und mit Gewinn im Unterricht behandeln könnte.
Generell wird im Heft deutlich, dass es mindestens zwei Vorstellungen von "Zensur" gibt: neben der juristischen eine mehr metaphorische bzw. subtile der (Buch-)Markt-Mechanismen, die Wolfgang Schreyer in seinem Essay mit beklagt. Insofern hat Kultusminister Mathias Brodkorb, der Fördermittel-Geber für die "Risse", im ausführlichen Interview zu diesem Thema recht, zwischen der direkten Zensur eines Staates gemäß Grundgesetz und anderen Formen der (Selbst-)Verbiegung im publizierenden Gewerbe strikt zu unterscheiden. Sehr schade aber, dass der Minister sich damit auf eine sichere Rechtsposition zurückzieht. Eine Vertiefung, mit der sich moderne Herrschaftsmechanismen und -techniken, aber natürlich auch die große Rolle des Opportunismus heute erörtern ließen, bietet das Gespräch damit leider nicht. Denn zwar ist klar, dass "der Markt" kein handelnder und Zensur ausübender Akteur ist, aber genauso sicher ist er kein Naturereignis.

Podium für Literatur in MV

1997 wurde die Literaturzeitschrift "Risse" in Rostock gegründet, 1998 erschien das erste Heft. Beim zweiten heft gab es einen Versuch staatlicher Zensur wegen eines Textes von Norbert Bleisch.

Heute um 19.30 Uhr wird das neue Heft (Nr. 31) im Kornhaus Bad Doberan (Klosterhof 1) vorgestellt. Es lesen Marion Skepenat, Carlo Ihde und Ronald Richardt. Eintritt frei.

 

Dietrich Pätzold

 

‹«     [zurück zur Übersicht]     »›


Risse e.V., Arno-Holz-Straße 1, 18057 Rostock
IBAN: DE73 1305 0000 0200 0598 90 / BIC: NOLADE21ROS
Kontakt|Impressum|Datenschutz|Bestellen