gesendet am 11.09.2007, von Ernst-Jürgen Walberg
Anmoderation:
RISSE ist erschienen, die Nr. 18 der Zeitschrift für Literatur in Mecklenburg und Vorpommern, die Frühjahr-Ausgabe 2007, wie immer ein bisschen verspätet, aber eben doch auf dem Markt. Die RISSE sind volljährig geworden, betont die Redaktion im Vorwort und ist offensichtlich stolz darauf – zu Recht! Die Finanzierungs- oder Zuschussprobleme sind noch in schlechter Erinnerung. RISSE Nr. 18 – Ernst-Jürgen Walberg stellt Ihnen das Heft vor.
Beitrag:
RISSE Nr. 18, das sind ohne Anzeigen 95 Seiten Literatur und Kunst. Und wie das bei solchen Zeitschriften so ist (und auch gar nicht hat anders sein kann!): hier findet sich eher Gutes neben eher Schlechtem, leicht Zugängliches neben schwerer Kost und in diesem Fall, ich sag’s gleich vorweg, ein einfach hinreißender Text von Uwe Saeger, der den großen Rest in den Schatten stellt. Aber der wohlgesetzten Reihe nach:
Matthias Dettmann, 1980 in Wolgast geboren, zeichnet für die Illustrationen in diesem Heft verantwortlich: wilde Strichkurveleien mit System, die sich bei genauerem Hinsehen als Männlein oder Weiblein plus Kind oder Menschengruppe zu erkennen geben. Eher atmosphärische Gedichte von Sebastian Schönbeck, mehrfach Poetenseminar-Absolvent, oder von Hagen Pompe aus Neubrandenburg; mir nur schwer zugängliche phonetische Verse von Dietmar Halbhuber: RUCK TSCHAU AUF EINEN TSCHÖNEN DRAUM, aber ich muss nicht alles verstehen. Dazu Prosa von Cornelia Hollmann oder Jutta Köwitz … ja, solide saubere Texte. Und dann Literaturkritisches und Buchtipps aus dem Lande: die gewohnte Hausmannskost.
Und dann, ja, zum Donnerwetter, Uwe Saeger … und er stellt alles in den Schatten … aber das habe ich schon gesagt. Fünfundzwanzig Seiten Literatur. Seine Erzählung Schöne Tage, böses Wasser beginnt fast neutral so: kann mich nicht erinnern, dass ich je Bock gehabt hätte, mit Pa und Ma und Schwesterlein Miou in Urlaub zu fahren. Doch der Ich-Erzähler Kurt, sechzehn Jahre jung, fährt noch einmal mit, noch einmal zum letzten Male, schließlich ist er jetzt sechzehn, und das soll es dann gewesen sein so in Familie. Sein nächstes Ziel: Kochlehre in Velden am Wörthersee im Hotel Angela.
Na gut: Pa hat ein Boot gemietet, er geht vierzehn Tage auf die Mecklenburgische Seenplatte. Pa liest Nietzsche, Ma malt ihre Postkartenidyllen, das achtjährige Schwesterlein Miou stört, und Kurt ist der Käpt’n. Mit dem Steuerrad in den Händen und steuerbords lässig in den Sitz gelümmelt und das sanfte Vibrieren vom Motorgang unterm Arsch und eine Welt ringsum, die noch so was von heil war, so schien’s jedenfalls, dass es echt weh tat, an zu Hause zu denken, bekam der Tag ne neue Farbe, wurd grün und blau und hell. Und ne Stunde später fand sich das andere auch. In meinen Worten: die Rollenverteilung an Bord, das Abnarbeln des Sohnes von den Eltern, die Lieblosigkeit der Alten, ganz spät die jeweils passenden Nietzsche-Zitate. Aber da war Martha bereits an Bord gewesen, Martha, die eigentlich Sabine hieß und aus Bützow kam, Bützow Frauentrakt, zwei Jahre und neun Monate und dreiunddreißig Mal die Bibel gelesen von vorn bis hinten … Lesen als Überlebenshilfe.
Der Text nimmt schneller Fahrt auf als jedes Boot auf der Müritz, er ist quicklebendig und erfrischend. Kurt ist um Sprüche nicht verlegen und Saeger auch nicht. Dieser Text amüsiert und zwingt zum Nachdenken, seine Lektüre macht Spaß … und dann bin ich durch und möchte viel mehr davon.
Und nun? RISSE Nr. 18 kaufen, Schöne Tage, böses Wetter lesen und dann weitersagen. Uwe Saeger weiterempfehlen. Sehr viele Autoren hat Mecklenburg-Vorpommern nicht. Hier ist einer.
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