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Leben für die Kunst des Dichtens

18.06.2004 Ostsee-Zeitung von N. V.

Wolgast Kurt Scharf (50) lebt ein wenig anders: Kein Telefon, kein Handy, kein Auto. Fernseher, na gut, den gönnt er sich. Auch die Zeitung kommt ins Haus, Information muss sein. Aber sonst? Die sparsame Lebensweise sei irgendwie Einstellungssache. Aber auch ein Muss: Als Freier Autor in Wolgast verdient man nicht so gut. Nebenbei jobben geht Scharf trotzdem nicht: „Ich brauche meine Kraft zum Schreiben.“
In der Frühjahrsausgabe der Literaturzeitschrift „Risse“ ist wieder eine Reihe von Scharfs Gedichten erschienen. Inhaltlich und in der Form sind diese 15 Gedichte eng mit einander verwoben. Die einzelnen Werke, Sonette genannt, haben je vier Strophen: Zwei Vier- und zwei Dreizeiler. Das Fünfzehnte, das Meistersonett, besteht aus den Anfangszeilen der 14 vorangegangenen. „Für die Verarbeitung großer Konflikte braucht es einen besonders strengen Rahmen“, sagt Scharf und gesteht, dass ihm auch das Tüfteln an der Umsetzung große Freude bereitet.
Größer können die Konflikte kaum sein, die Scharf literarisch verarbeitet. Es geht um Krieg und um Töten und um den Umgang mit dem Sterben. „Nebenbei bemerkt“, Scharf zeigt auf das unruhige Schriftbild der gedruckten Gedichte, „ist es auch eine Hommage an die Zeitschrift Risse.“ Und wirklich, wie zerrissen flattern die unregelmäßigen Verszeilen der unteren Strophen. „Dass es diese Zeitschrift gibt, ist eine große Chance für die Literatur im Land, und für die Nachwuchsautoren natürlich auch.“
Der Poet – hohe Stirn, schütteres Haar, grob gemustertes Hemd – gestikuliert beim Reden und blickt dabei freundlich energisch durch die dicken Brillengläser. Man glaubt ihm, dass er sich für das weitere Erscheinen der Publikation einsetzen will, die wegen mangelnder Förderung in der Existenz bedroht ist. Allein über die Mittel dafür ist er sich noch nicht im ganz im Klaren: „Vielleicht viel darüber reden, sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Denn wenn ich alleine losziehe und demonstriere, nützt das ja auch keinem.“
Eine Möglichkeit hätte er allerdings doch in Petto, das Interesse der Weltöffentlichkeit zu bündeln: Schon im Jahr 2001 bescheinigte ihm das Guinnesbuch einen Weltrekord – im Kniebeugen. Sagenhafte 3764 Stück schaffte er in 60 Minuten. „Längst überboten“, sagt Scharf, hält sich aber trotzdem weiter fit. Als Ausgleich zur Schreibtischarbeit legt er schon mal eine 2000er-Serie hin. Doch in dieser Disziplin noch einmal angreifen? Das ist nicht Scharfs Sache, nicht noch mal das Gleiche. Lieber schaut er in die Zukunft, auch literarisch, wenn er sich mit Science-Fiction-Themen befasst. Hauptaufgabe ist allerdings zurzeit die Arbeit an einem Roman, der zurückblickt. Ein Auftragswerk, das im Jahr 2006 erscheinen soll. Scharfs Beobachtungen des LPG-Alltags sind Grundlage des Stoffes. „Allerdings“, er hebt wie warnend den rechten Zeigefinger: „Nicht mit dem jetzt üblichen Hang zur Verklärung jener Zeit.“

 

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