1997/1998 Ostsee-Zeitung von Dietrich Pätzold
Greifswalder Autor seit Jahren außerhalb des offiziellen Literaturbetriebes
Greifswald (OZ) Jom-na? – „Jomna. Ja.“ Das kleine Mädchen, 15 Jahre alt, blinzelt neugierig aus ihrer Spielecke herüber. „Ich brauchte zwei Tage, um den Namen beim Standesamt durchzukriegen.“
Wenn Schriftsteller Zeitlos-Gültiges in die Welt setzen, dann hat Jürgen Landt schon eine Spur hinterlassen. Den Namen „Jomna“ gab es vorher nicht. Er hatte vor zwölf Jahren die Geburt seiner Tochter mit all ihren Komplikationen geträumt, erzählt er. Damals entstand ein Text darüber. Das Neugeborene im Traum hieß Jomna, darum mußte auch das wirkliche Töchterchen so heißen. Klar.
Dabei ist der Vierzigjährige mit den langen und deutlich angegrauten Haaren alles andere als ein spiritueller oder religiöser Mensch. Wenn es überhaupt etwas gibt, woran er sich orientiert, dann die eigene Erfahrung. „warum philosophien einfach nur herzkettchen ohne anhänger zum tragen blieben“, heißt es in einem seiner älteren Texte, in dem sonderbare „Warum“-Fragen fröhlich durcheinanderpurzeln, als wäre es des Autors grimmiger Spaß, zusammenzumixen, was nicht zusammengehört. Nicht Philosophien oder Glaubensregeln, nur die eigene Erfahrung gilt.
Die freilich hat der gebürtige Demminer reichlich gesammelt. Als er Silvester 1983 mit Koffer und Schreibmaschine Marke „Erika“ auf der Reeperbahn eintraf, hatte er die schlimmsten Erlebnisse hinter sich. Das erste Mal war er 1974 in den Knast gekommen, ein 17jähriger im Erwachsenenvollzug. „Da ging es nur im Laufschritt. Ich dachte, da komme ich nie wieder raus.“ Danach als Bürger mit beschränkten Rechten, statt Personalausweis die Klappkarte „PM 12“. Damit wurden selbst Reisen nach Ostberlin, etwa zu Lesungen, die er dort seit 1981 zu Privatwohnungen mit eigenen Texte machte, riskante Aktionen.
Warum überhaupt der Konflikt mit dem DDR-Staat? Es sei der Zwang gewesen, den er nicht ausgehalten habe. Er wollte nicht arbeiten, wie es verlangt wurde, und da deshalb Druck auf ihn ausgeübt wurde, „konnte es eben passieren, daß man mal über die Stränge schlug“. So was wie Rowdytum? Er widerspricht nicht und ergänzt, daß meist Ordnungshüter betroffen gewesen seien. „In Wirklichkeit bin ich kein politischer Mensch. Ich halte nur solche Zwänge nicht aus.“
Es gab weitere Knasterlebnisse, Ausreiseanträge zog er unter dem Druck zurück, 1983 folgte überraschend die Ausbürgerung. Seine Frau und ein Kind blieben in Demmin – man hatte der Frau gedroht, ihr das Kind zu nehmen.
Eine harte Erfahrung. Landt schlug sich durch. Und produzierte intensiv Texte. In Hamburg begann er, seine „Type-Arts“ zu gestalten, mit der Schreibmaschine getippte Bilder („weil die Sprache zu begrenzt war“). Doch die Möglichkeit zum Kunststudium schlug er aus – wegen der Zwangs, sich fremde Techniken anzueignen.
„Schreiben“, so meint er heute, „ist meine Bestimmung. Es geschieht zwanghaft.“ Der Autor, der 1991 zurück nach Greifswald gezogen war, plaudert aus seiner Textwerkstatt. Zunächst werden Gedanken und Redewendungen notiert: „Fundamente legen“ nennt er das. Ungefähr 500 solcher „Fundamente“ hat er mittlerweile angelegt, an denen er immer wieder arbeitet. Erst nach strengster Bearbeitung entläßt er einen Text als fertiges Werk. Etwa 200 fertige Texte entstanden so: in erstaunlich präziser Sprache gehaltene, mit hintergründigem Witz oder kräftig obszönen Gedankenspielen gewürzte Erfahrungs- bzw. Befindlichkeitsberichte. Wer Jürgen Landt nach seinem übergreifenden Thema oder Anliegen fragt, muß sein langes Grinsen abwarten bis zur kurzen Antwort: „Vielleicht die Unverständlichkeiten zwischen Mann und Frau.“
Seine Texte verschickt er seit Jahren an Literaturzeitschriften – „in die Umlaufbahn schicken“ nennt er diesen Arbeitsgang. Das geht nach einem fröhlichen Zufallsprinzip: Wenn ihm der Name einer Zeitschrift gefällt, erhält sie ein Angebot. So stieß er auch auf das Projekt zur Wiederbelebung der Rostocker Literaturzeitschrift „Risse“, die erstmals wieder Ende März erscheinen soll, mit einigen seiner Texte.
Zeitweise läßt sich von den Honoraren leben. Hinzu kommen ein paar Lesungen, und sein drittes Heft mit eigenen Texten „Der Gang durch die Tüte“, illustriert durch seine Lebensgefährtin Cathleen Heilmann, ist soeben in der Edition Get Up & Shine Greifswald erschienen. Startauflage: 2000 Stück. Im Buchhandel gibt es diese Texte nicht. „daß ich mich zu lebzeiten mit meinen schriftzeichen in keiner buchhandlung wieder finden würde“, hält Landt in seinem Heft für sicher. Er ist wohl ein Mann des Inoffiziellen, des Undergrounds, der sonderbaren Perspektiven – und ohne jede Ambition auf eine domestizierte Karriere im offiziösen Literaturbetrieb. Man staunt, was es alles gibt.
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