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Editorial

Liebe Leser,

 

wir leben seit gut zwei Jahrzehnten in einer Gesellschaft der verbrieften Menschenrechte, der Freiheit zu sagen (und zu drucken), was man denkt, wie man fühlt, ohne sich in der Konsequenz in fensterlosen Räumen und grellem Neonlicht dafür rechtfertigen zu müssen. Eine solche Freiheit ist keineswegs selbstverständlich und es gibt jederzeit Bemühungen sie einzuschränken. Lassen Sie uns hoffen oder besser dafür sorgen, dass diese Zeit nicht wieder vorbei geht. In diesem Sinne versteht sich die Zeitschrift RISSE als eine Plattform für die Autoren des Landes.

 

Doch lassen Sie mich auch einige Worte zum aktuellen Heft sagen. Der Redaktion fällt auf, dass ein großer Teil der Texte »Zeit« thematisiert, genauer deren Verlauf. Damit geht es nahezu zwangsläufig um Verfall im weitesten Sinne. Diese Entwicklung ist zufällig und die Redaktion hatte auch nicht die Absicht, ein themengebundenes Heft zu veröffentlichen. Es ist vielleicht einfach an der Zeit für ein paar gute Texte über die Zeit in einer Zeit des Wandels. Aber wandelt die Zeit nicht immer? Wie deprimierend, es ist Mai und wir kommen mit Alter und Verfall daher!

 

Ronald Richardt und Sonja Voß-Scharfenberg setzen sich in ihren Texten mit den höchst realen Konsequenzen des Älterwerdens auseinander. Kay Steinke zeichnet auf recht abgefahrene Weise die Lebensumstände junger Menschen nach, die in eine Zeitenwende hineingeboren wurden. Ragnhild Fesenmeyer lässt einen fabelhaften und bis dahin zeitlosen Ogmu die Knute der Zeit spüren. Der Beitrag von Kurt Scharf schert sich wenig um die Zeit, gibt sich vielmehr sehr lokal und versucht einen Weg zu finden, sich und uns im Raum zu verorten.

 

Lesen Sie unser Heft zeitnah! Andererseits ist Zeit ja relativ, was inzwischen hinlänglich bekannt sein sollte. Wissen Sie aber auch, dass Zeit portioniert daherkommt, unser Dasein sozusagen quantisiert? Wenn man kurz genug hinschaut, verliert sich die Zeit allemal im Nichts. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass  die Zeit eine Erfindung des Uhrmacherhandwerks ist, habe deshalb alle meine  Uhren weggegeben und altere seitdem nicht mehr. ||


Sven Lübbe

 

 

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