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Editorial

Kaum sind die RISSE ein halbes Jahr alt, zeigt sich, daß auch eine Redaktion von Rissen nicht verschont bleibt. Kunst kann gefährlich sein. Obwohl der abgedruckte Auszug aus einem Romanmanuskript von Norbert Bleisch und der Essay über einen Skandal beim Filmkunstfest in Schwerin kaum mehr als ein Fünftel des vorliegenden Heftes einnehmen, so haben sie uns doch mehr Kopfzerbrechen bereitet, als die anderen vier Fünftel.

Auf die Tatsache, daß eine für den 1. Mai d. J. in Schwerin geplante Doppellesung von Bleisch und Goyke/Schmidt (vgl. den Essay von Klaus Blaudzun) durch massiven Druck verhindert wurde, reagierte die RISSE-Redaktion zunächst mit Empörung. Weil wir uns für die Veröffentlichung und nicht für die Verhinderung von Literatur in unserem Bundesland engagieren, fühlten wir uns aufgerufen, auf die Ereignisse zu reagieren. Und damit begannen die Schwierigkeiten. Denn trotz alles Empörung über die politisch-ökonomische Zensur und trotz aller Gewißheit über die literarische Qualität von Bleischs Manuskript blieben moralische Bedenken. Immerhin war der Autor rechtskräftig verurteilt worden, weil er Pornofilme mit Minderjährigen gedreht und seine Darsteller dafür bezahlt hatte (so die Urteilsbegründung). Sollte man Bleisch ein Podium bieten? Kann man es ihm entziehen? Sind wir blauäugig, uns für das Manuskript einzusetzen, obwohl große Verlage sich inzwischen zurückgezogen haben? Könnte unser Engagement als Märtyrer-Attitüde oder Wichtigtuerei erscheinen? Spielen Argumente in einer aufgeheizten Situation überhaupt noch eine Rolle?

Der Zwiespalt war von der Redaktion nicht zu überwinden. Wir geben ihn an unsere Leser weiter, weil wir es für wichtig halten, ihn nicht einfach zu ignorieren.

Tröstlich, daß die Wirkung von Literatur nicht darauf beschränkt ist, Kopfzerbrechen und Risse in Redaktionen zu veranlassen. Das soll das zweite Heft der RISSE auch zeigen.

Es enthält u. a. wieder Auszüge einer Übersetzung aus dem skandinavischen Raum, Dorrit Willumsens mit dem Nordischen Literaturpreis ausgezeichneten Roman über Herman Bang. Uwe Kolbe ist mit Gedichten aus seinem soeben erschienenen band »Vineta« vertreten. Jürgen Landt formt Buchstaben zu Bildern, Uwe Saeger hingegen widmet sich dem Aorgiker.

Mehr ist dem nicht hinzuzufügen. ||

 

 

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